Rassismus- und antisemitismuskritische
Filmvermittlung für die 1. bis 6. Klasse

Eva berichtet über ihren Workshop in der 6. Klasse

Eva Rost führt als pädagogische Referentin Workshops mit den Konzepten von Film Macht Mut durch. Hier berichtet sie aus ihrer Erfahrung in zwei sechsten Klasse in Brandenburg.

Überblick

Als langjährige Pädagogin hatte ich mich darauf eingestellt, dass die Workshops in Brandenburg anders laufen würden als die in Berlin, wo ich sonst arbeite. Die Entscheidung, Workshops in Brandenburg durchzuführen, wo rechte Tendenzen bekannt sind, löste bei mir als Schwarze und queere Pädagogin aus der Großstadt zunächst gemischte Gefühle aus. Doch mit einer praxisnahen Vorbereitung und einem engagierten Team stellten wir uns den Herausforderungen. Wochen zuvor hatten wir unsere Module bis ins kleinste Detail vorbereitet, uns auf pädagogische Herausforderungen eingestellt und Erfahrungen und Fallbeispiele schriftlich und mündlich ausgetauscht. Diese Vorbereitung zahlte sich aus, als wir vor Ort herzlich empfangen wurden und direkt in die Bindungsarbeit einsteigen konnten.

Dennoch wurde ich mit überraschenden Realitäten konfrontiert, als wir je eine Woche in zwei 6. Klassen arbeiteten. Sie haben nicht nur uns, sondern auch den Schüler*innen viel Freude bereitet. Mir ist es wichtig, jungen Menschen einen Einblick in aktuelle gesellschaftliche Probleme zu geben und ich bin dankbar, dass ich an diesem Projekt mitwirken darf. Die Erfahrung in Brandenburg war für mich persönlich bereichernd und hat gezeigt, dass der Dialog über Vielfalt und Empowerment in jeder Region wichtig ist. Es war eine lehrreiche Zeit, die mir die Relevanz unserer Bildungsarbeit in unterschiedlichen Kontexten verdeutlicht hat.

Diskriminierungsformen wie Sexismus und Rassismus waren vielen Schüler*innen bereits bekannt und sie hatten eine Vorstellung davon, worum es in unseren Workshops geht. Bei einigen konnte ich förmlich die Begeisterung in ihren Gesichtern sehen. Dennoch war der Balanceakt zwischen Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und schweißtreibendem Engagement unvermeidlich. Die Arbeit als Referentin erwies sich als anspruchsvoller, als ich es mir vorgestellt hatte. Trotz der Anstrengung erlebten wir viele schöne, stärkende und emotionale Momente mit den Schüler*innen. Interessante Fragen und aktive Beteiligung prägten die Workshops und wir konnten beobachten, wie aus dem Wiederholen allmählich Handeln wurde. Besonders beeindruckend war ein Moment in der Pause, als eine BiPoC-Schülerin die Referentin daran erinnerte, dass bereits zu Beginn der Workshops eine Vereinbarung getroffen wurde und auf die gemeinsame Verschriftlichung verwies. Diese kleinen Veränderungen im Alltag zeigten uns, dass unser Workshop nicht nur Wissen vermittelte, sondern auch nachhaltige Eindrücke hinterließ.

Umsetzung der Module und pädagogischer Ansatz: Einfühlungsvermögen, Dialog und neue Perspektiven

Am Einführungstag sammelten wir nach der Frühstückspause Begriffe für verschiedene Formen von Diskriminierung, diskutierten darüber und sahen den Film „Dancing Abdullah" über einen jungen Tänzer aus Syrien, der nun in Frankfurt lebt. Dabei lernten wir gemeinsam neue Begriffe und Definitionen kennen. Der Begriff „Intersektionalität" war für viele neu, aber die Schüler*innen konnten noch am selben Tag erklären, welche Schwierigkeiten und Diskriminierungen Abdullah in Deutschland erlebte. Weitere Filme wie „Moooment" und „Bango Vassil" wurden im Zusammenhang mit unseren Schwerpunktthemen Ausgrenzung, Vielfalt und Antirassismus gezeigt. Am dritten Tag beschäftigten wir uns intensiv mit einer der wichtigsten Formen von Diskriminierung im Schulkontext: Adultismus, eine Diskriminierungsform, von der Kinder durch Erwachsene betroffen sind. Am vorletzten Tag erweiterten wir unseren Horizont, indem wir eine weitere Schwarze, jüdische Referentin einluden, die insbesondere über jüdische Identitäten und deren Intersektionalität sprach. Wir sahen „David de Ster", einen Dokumentarfilm über einen jüdischen, chinesisch-niederländischen Jungen. Es wurde ein Memory zu jüdischem Leben gespielt, gesungen und ein Rap-Song analysiert, um die Komplexität und Bedeutung dieser Themen zu vertiefen.

Insgesamt boten die Workshops nicht nur eine Plattform für den Austausch von Wissen, sondern förderten auch einen offenen Dialog über Identitäten, Diskriminierung und Vielfalt. Unsere methodische Vielfalt ermöglichte es den Schüler*innen, sich aktiv einzubringen und komplexe Themen auf eine zugängliche Art und Weise zu verstehen.

Der Schwerpunkt lag auf einer starken Bindungs- und Beziehungsarbeit. Wir haben von Anfang an unsere Positionierungen thematisiert. Als Schwarze, übergewichtige, queere, alleinstehende Hamburgerin und als weiße, bisexuelle Berlinerin waren wir uns unserer Identitäten bewusst und transparent darüber. Als Referent*innen offenbarten wir unsere eigenen Geschichten und ermutigten die Schüler*innen dazu, auch über ihre Erfahrungen zu sprechen. Dies führte zu einem tieferen Verständnis und gegenseitigem Respekt. Die emotionale Veränderung, die unsere Bildungsarbeit hinterlassen hat, war am Ende der zwei Wochen deutlich sichtbar.

Wir haben die Schüler*innen von Anfang an in unsere Überlegungen einbezogen, z.B., was wir alle zum Lernen brauchen und wie wir unsere Pausen gestalten wollen. Mit jeder Klasse haben wir transparent gemacht, was für die Woche geplant ist. Unser roter Faden waren Bewegungseinheiten, abwechslungsreiches Lernen und Spiele. Eisbrecher wie Namensspiele ohne Verlierer*innen, Arbeitstreffen im Kino, eigene Talentshows und das Schreiben von spielerischen Diktaten sorgten für eine lockere Atmosphäre.

Mein pädagogischer Ansatz konzentriert sich auf eine gewaltfreie und einfache Sprache, die Menschen einlädt, sich mit ihren Positionen und Bedarfen mitzuteilen und selbst Lösungen zu finden. Diese Methode fördert die freie Selbstwirksamkeit, eine heilende Kraft, die aus eigenständigem Lernen entsteht. Sie gibt Sicherheit, ermöglicht offene Kommunikation und Authentizität.

In den Workshops setzten wir auf spielerische Elemente wie das Obstsalatspiel, um einen lockeren Einstieg zu schaffen. Wir stellten alltägliche Fragen wie „Wer hat heute alles gefrühstückt?" oder „Wer hat heute die Zähne geputzt?" sowie übergreifende Fragen wie „Wer musste schon einmal einen Brief für seine Bezugspersonen zu Hause übersetzen?" und „Wer hat jüdische Freund*innen?".

Wir konzentrierten uns auf gemeinsame Definitionen von Diskriminierungsformen, wiederholten Erklärungen in der Lerngruppe und wiederholte Filmsichtungen, gefolgt von Diskussionen und Achtsamkeit im Raum. Häufige Fragen wie „Was bedeutet das genau und warum ist das so?" halfen, die Schüler*innen aktiv in den Dialog einzubeziehen. Um einen sicheren Raum zu schaffen, hatten die Schüler*innen stets die Möglichkeit, sich in einen anderen Raum zurückzuziehen, wenn sie es brauchten. Eine vorher vereinbarte Körperbewegung in der Gruppe signalisierte ihr Bedürfnis, z.B. den Buchstaben T mit beiden Händen wortlos zu formen.

Die Arbeit mit den Schüle*innen war intensiv und anspruchsvoll, aber die geschaffenen Räume für Dialog, Reflexion und Empathie ermöglichten es, tiefgreifende Veränderungen und neue Perspektiven zu erleben.

Filmbildung als Schlüssel zur Horizonterweiterung

Durch „Film Macht Mut" bin ich zum ersten Mal intensiv mit Filmbildung in Berührung gekommen. Das hat meinen Blick auf das gemeinsame Erleben von Geschichten nachhaltig verändert. Die beeindruckende Wirkung von fesselnden Bildern, gefühlvoller Musik und kraftvollen Dialogen hatte ich vorher völlig unterschätzt. Ein besonderes Highlight dieses Projekts war für mich der Kurzfilm „Bango Vassil", der im Rahmen unserer Filmbildung im Workshop eine zentrale Rolle spielte. Die Bedeutung von Filmen ist nicht zu unterschätzen, vor allem wenn es darum geht, junge Zuschauer*innen zu prägen. Fernsehen und Filme, die von der Darstellung von Diversität unberührt bleiben und überwiegend von weißen Männern gemacht werden, können einen negativen Einfluss auf junge Menschen haben, in dem die Filme Machtverhältnisse zementieren. Die Filme von „Film Macht Mut" haben bei unseren Schüler*innen auf erstaunliche Weise Mut geweckt. Selbst introvertierte Schüler*innen applaudierten lauter, Streitigkeiten wurden deeskaliert, Grenzen klarer kommuniziert und viele neu erlernte Aktionen gegen Diskriminierung angewendet.

Trotz dieser positiven Veränderungen müssen wir uns bewusst sein, dass es nicht ausreicht, psychologische Ressourcen zu aktivieren, um eine ausreichende antirassistische Überzeugung zu fördern. Veränderung braucht Zeit und wiederholtes Lernen – Zeit, die uns leider oft fehlt. Einige engagierte Teilnehmer*innen haben ihr Bestes gegeben, um das Miteinander zu verbessern, aber es war nicht möglich, in den zwei Wochen ein völlig diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen. Dies ist ein kontinuierlicher Prozess, der Engagement und Geduld erfordert. Dennoch bleibt die Filmbildung ein Schlüssel, um Horizonte zu erweitern und Verständnis und Toleranz in unserer Gesellschaft zu fördern.

Erfahrungen der Schüler*innen mit Diskriminierung

Das Bild im Klassenraum spiegelte die gesellschaftliche Realität wider: Die Mehrheit der Schüler*innen in den beiden sechsten Klassen war weiß, nicht-jüdisch und hatte Eltern, die es sich leisten konnten, mehrmals im Jahr in den Urlaub zu fahren, ohne sich um Aufenthaltsgenehmigungspapiere kümmern zu müssen. Aufgrund dieser Zusammensetzung ging ich davon aus, dass sie in ihrem Alltag bisher wenig Berührungspunkte mit den Themen des Workshops hatten. Meine Vermutung hat sich als richtig erwiesen. Viele hörten zum ersten Mal von Adultismus als Form der Diskriminierung. Die Einführung des Begriffs stieß auf Unverständnis und Abwehr. Die Schüler*innen waren schockiert und zogen sich eher zurück. Abwehrmechanismen gegen Rassismus und andere Diskriminierungsformen waren ihnen bekannt, aber Adultismus war für viele neu und schwer auszusprechen.

Es war interessant zu beobachten, wie die Schüler*innen nach und nach erkannten, dass Ungehorsam und Konflikte oft aus dem Bedürfnis entstehen, für sich selbst oder andere einzutreten. Das gemeinsame Nachdenken, das Erklären von Begriffen und das Anschauen von Filmen halfen, Verständnis und Respekt in der Klasse zu fördern. Dennoch war die Dominanzkultur im Gruppenraum spürbar und die Assimilation der wenigen BiPoC-Schüler*innen in ihren Lebensrealitäten deutlich. Es war offensichtlich, dass Selbstzweifel und Unsicherheiten, verstärkt durch rassistische Umgebungen, es den Schüler*innen erschwerten, authentisch zu sein. Einige BiPoC-Schüler*innen teilten uns mit, dass sie sich zu Hause und in der Schule oft unverstanden fühlen. Es war ihnen unangenehm, ihre Hobbys zu teilen, und an Feiertagen wurden sie oft rassistisch behandelt.

Es war schmerzhaft, dass einige Schüler*innen mir ungefragt in die Haare griffen, uns Referent*innen exotisierten und versuchten, ihre Ansichten durch Gaslighting zu untermauern. Dieses Verhalten unterstreicht die dringende Notwendigkeit solcher Workshops. Sie dienen nicht nur der Förderung von Toleranz, sondern auch der bedingungslosen Inklusion. Wir glauben, dass Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten und Perspektiven gemeinsam an der Entwicklung einer Gesellschaft arbeiten können, die nicht nur tolerant ist, sondern bedingungslos inkludiert. Dieser Glaube treibt uns an, uns trotz aller Herausforderungen weiterhin für positive Veränderungen einzusetzen.

Herausfordernde Situationen

Der Umgang mit herausfordernden Situationen während des Workshops war eine komplexe Aufgabe, insbesondere aufgrund einiger Jungen, die durch ihr provozierendes Verhalten viele Teilnehmer*innen und uns Referent*innen herausgefordert haben. Leider war es nicht immer möglich, diese Störfaktoren zu vermeiden oder ausführlich zu besprechen. Die begrenzte Zeit in den Pausen erlaubte oft keine vertiefenden Gespräche und manche Situationen erforderten zu viel Zeit in der Begleitung. Trotzdem haben wir nach mehreren Vorfällen, wie z.B. der Verwendung des N-Wortes in der Pause, der Unterdrückung von Gefühlsäußerungen der Mädchen und der mangelnden Unterstützung durch einige Erwachsene vor Ort, immer das Gespräch gesucht und meist eine Einigung gefunden.

Es gab jedoch einen Kinotag, an dem wir als Betreuer*innen entschieden, dass drei Jungen nicht mitkommen durften, da sie sich weiterhin nicht an die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen hielten. Wir haben diese pädagogischen Konsequenzen aufgrund wiederholter Mikroaggressionen gezogen. Dieser Schritt war wichtig und richtig, um klare Grenzen zu setzen und ein respektvolles Umfeld zu gewährleisten. Ein positives Beispiel in unserer Lerngruppe war ein Junge, der in der ersten Woche zu mir kam und offen über seine Unsicherheiten bezüglich eines möglichen Nazi-Hintergrundes seiner Familie sprach. Er zeigte stets Reflexionsbereitschaft und sprach respektvoll mit den Mädchen*. Solche Beispiele zeigen, dass konstruktive Gespräche und die Förderung von reflektiertem Verhalten positive Veränderungen bewirken können.

Persönliche Rückmeldung

Meiner Meinung nach ist Adultismus eine der gefährlichsten Verhaltensweisen, die wir Schüler*innen vorleben können. Pädagog*innen, die wie ich ihre Ausbildung in den 90er Jahren absolviert haben, haben viele veraltete Konzepte gelernt. Das ist nicht immer problematisch, aber manche neigen dazu, adultistisch zu handeln, ohne sich dessen bewusst zu sein. Transparenz im Umgang mit überholten Praktiken und das Hinterfragen von Sätzen wie „das haben wir schon immer so gemacht" sind sehr wichtig. Meine Fragen an die Kolleg*innen lauten: Warum setzt sich der Staat, den wir wählen und dem wir unsere Kinder anvertrauen, nicht stärker für die Entwicklung selbstdenkender, kreativer und solidarischer Menschen ein? Wo bleibt die notwendige Zeit für intensive Interaktionen mit den Schüler*innen, und woher sollen die benötigten Gelder kommen? Wie können wir mit den begrenzten Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, unsere Ziele erreichen?

Wir sollten den Schüler*innen voll und ganz zuhören, auch wenn das bedeuten könnte, dass wir Zeit für andere Aktivitäten opfern müssen. Vielleicht könnten wir sogar die Schüler*innen selbst interviewen und ihre Perspektive einbeziehen, um herauszufinden, wo Ressourcen verschwendet werden. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit, Schüler*innen bezüglich Diversität und Inklusion zu sensibilisieren, Menschen in gesellschaftspolitischen Machtpositionen positiv zu beeinflussen und voneinander zu lernen. Gemeinsam stark sein, gegen Ungerechtigkeit kämpfen und eine Gesellschaft gestalten, die wir uns alle wünschen. Selbstwirksamkeit und politische Bildung erfordern einen friedlichen Austausch und viele Gelegenheiten, unsere Gemeinsamkeiten zu sehen und zusammen zu wachsen. Ansonsten werden wir uns nicht von den vielen unsichtbaren Normen befreien können, die einer inklusiven Gesellschaft im Wege stehen.

Die zwei Wochen in Brandenburg waren intensiv, aber trotz der pädagogischen Planung blieb leider zu wenig Zeit für pädagogische und vor allem antirassistische Auseinandersetzungen innerhalb der Institutionen (Schule und Jugendzentrum). Das ist für viele, die politische Bildung mit Kindern und Jugendlichen machen, nichts Neues. Trotzdem bin ich dankbar, dabei gewesen zu sein und würde es wieder tun.

Autorin

Eva Rost arbeitet in Berlin als Co- Leitung in einem Kinder- und Jugendzentrum, welches divers aufgestellt ist und intersektionale Pädagogik übt, und ist als Referentin für verschiedene Träger und für ihr Projekt Grüne Kitas unterwegs.

Als pädagogische Referentin führt sie bei Film Macht Mut die Workshops mit den Konzepten von Film Macht Mut durch.